Sonntag, 23. Dezember 2007

Wintermorgen


Je eisiger die Luft, desto weniger laufende Menschen treffe ich in meinem wichtigsten Laufrevier an; dem Grunewald in Berlin. Dabei ist es an sonnigen Tagen im Winter ebenso wunderschön, in eisiger Kälte die einsamen Wege und Pfade abzulaufen, wie im Frühsommer bei milder, duftender Luft, oder mitten im Herbst im sich so träge verändernden, lang anhaltenden Dämmerlicht.
Über geniale Laufgefühle bei Regenwetter will ich an dieser Stelle einmal lieber schweigen. Laufwetter ist einfach immer! - muss ich für mich immer wieder feststellen. Es ist lediglich eine Frage der Kleidung - und (dies gilt sicherlich auch) ganz stark eine Frage der Einstellung dazu.

Da kannst du an einem Sonntag auch noch so sehr verschlafen. Kalt und sonnig zieht dich das Wetter trotzdem vor die Tür und in die klirrende Einsamkeit des Waldes, ins Revier der hartgefrorenen Waldwege.

So schön wie heute war der Himmel schon seit Tagen nicht mehr zu sehen. Die sonst trist und grau verharrenden Zweige und Äste der Bäume, die sich bereits vor Wochen von aller Farbe verabschiedet haben, tragen dichten Raureif von einer feuchten Nacht und heben sich damit strahlend weiß vom Blau des Himmels ab. Der Wind rührt sich gar nicht. So ist es trotz der deutlich frostigen Lufttemperatur gar nicht wirklich kalt. Und das Auge ist von dem winterlichen Anblick sehr milde gestimmt.
Wie kleine Schneeschauer rieselt es von Zeit zu Zeit weiß von den Bäumen, denn die Sonnenstrahlen wirken hart auf den Reif ein und die lose Schicht bröselt einfach von den Zweigen herunter.

Ich laufe nicht lange auf den breiten Wegen, zweige schon bald auf Verbindungspfade ab. Die Sonne steht auch spät am Vormittag noch tief über dem Horizont. Die Bäume schlucken fast alles direkte Licht, bevor es den Boden erreicht. - Mittwinterblues, du könntest meine Gedanken rythmisch unterlegen, aber das Laufen in dieser stillen Natur ist viel zu schön, als jetzt melancholisch zu werden.
Wenn ich mich demnächst wieder auf den breiteren "Schwarzen Weg" zubewege und in Richtung Süden laufe, sollte ich vielleicht doch noch meine Freunde auf ihrem Rückweg treffen.

Morgens zu verschlafen, ist die eine Seite der Medaille, ganz privat und gelegentlich ein unaufschiebbares Bedürfnis, denn meine Tage sind trotz der zur Zeit früh einsetzenden Dunkelheit sehr lang. Menschen, die vielleicht doch von Zeit zu Zeit mit meiner Anwesenheit rechnen, im Unklaren zu lassen, aber ist die zweite Seite der Medaille, und diese ist gar nicht so leicht in Balance mit der ersten zu halten.


Die kleinen Verbindungspfade sind von knisterndem Laub überdeckt, hartgefroren wie der Boden darunter. Es juckt in den Gedanken, unter diesen Bedingungen eine Karte aus der Tasche zu zaubern und ein Orientierungslauftraining zu beginnen. Die Erinnerung an vergangene Winter und die immer gern gelaufenen OL-Bahnen ist gar nicht so vage. Aber eine Karte habe ich jetzt nicht dabei. Die Struktur dieses Waldes, in dem ich schon zu jeder Tages- und Nachtzeit gelaufen bin und in dem ich Anderen sich zurecht zu finden, versucht habe beizubringen, diese Struktur ist mir auch ohne Karte geläufig.

Bei aller Vertrautheit mit dem Gelände, ist es immer eine schöne Erfahrung, bei den unterschiedlichen Lichtverhältnissen, die sich im Laufe eines Jahres oder einfach der Laufsaison zwangsläufig ergeben, immer wieder auch neue Eindrücke des Geländes aufzunehmen. So tief wie die Sonne heute steht und an einigen Stellen des Waldes dann doch massiv durch die Bäume blinzelt, scheint die Landschaft sich zu einem hellen, freundlichen Raum verändert zu haben, der im Gegenlicht wie in eine grenzenlose Weite auszulaufen scheint.

Schön, in der Weite dann doch noch die Freunde zu treffen, und, den Rückweg gemeinsam genießend, den sonnigen Wintertag laufend ausklingen zu lassen.

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