Samstag, 5. Januar 2008

Dröge Einsamkeit ?


An manchen Tagen läufst du einsam durch die Landschaft. Der Winter drückt da nicht nur mir sein dröges Grau in die Seele, der ich mich immerhin aufraffe, einige Kilometer am Rande von Berlin zu laufen. Winterblues - dir traue ich nicht. So trist die Landschaft, so stark die innere Kraft, mit der ich deiner Kälte widerstehe.

Mich führt mein Drang zu laufen aus Berlin hinaus. Die Luft ist sehr feucht, könnte einige Regentropfen auswerfen und tut es auch bald als dünnen Nieselregen. Der Boden aber ist noch mit Schneeresten bedeckt und teilweise hart gefroren, entlang der brach liegenden Felder oberhalb des Groß-Glienicker Sees ist er außerdem sehr uneben.

Diese Passage trainiert den Stützapparat im Bereich der Fußgelenke, wenn man ohne umzuknicken daran vorbei kommt. Hinschauen muss man schon - bei Dunkelheit ist der Weg nicht zu empfehlen. So mitten am Tag aber ist das kein Porblem, mich stören hier nur die Vierbeiner mit ihren zweibeinigen, teils schlecht erzogenen Begleitern, die sich hier verabredet zu haben scheinen. Der Weg ist schon recht schmal, und ich 'muss hier jetzt auch noch hindurch'.

Etwas weiter, im Wald rund um den Sakrower See, bin ich völlig allein. Brandenburger Einsamkeit ist eben nicht nur sprichwörtlich. Zugegeben ist diese Ecke des Landes durch die umliegenden Gewässer, die Havel, den Lehnitz- und hier den Sakrower See auch etwas abgeschnitten.

Mir soll es recht sein, ich genieße meine Schritte und lasse die ruhig daliegende Landschaft auf mich einwirken. Die Frische des Sommers ist längst aufgebraucht, nur die laue innere Wärme läßt die Spur einer Idee daran aufkommen. Ziele sollten einem nie ausgehen, genauso wenig die stillen Wünsche, die ich mit mir durch die abweisende Winterlandschaft trage. Die Hoffnung keimt immer und fröhliche Gedanken tragen mit zum Erreichen der kleineren Ziele bei.


Kurze Pause an der Heilandskirche, deren schlichtes Inneres heute zur Besichtigung offen steht. Ich schaue nicht hinein, nutze stattdessen die Aussicht über die Havel in Richtung Glienicker Brücke und der Berliner Vorstadt in Potsdam. Weite fasziniert einfach, die feuchte Luft, die dunstig über dem Gewässer steht, verstärkt den Eindruck. Am Schloss Sakrow vorbei laufe ich zum Sakrower See zurück und an dessen Ufer weiter entlang der winterlichen Einsamkeit.

Ich werde mit diesem Winter nicht richtig warm. Mag es an dem noch dürftigen Schnee liegen, oder einfach an der Erkenntnis, dass eine subtile Einsamkeit auch nach den kühlen, dunklen Wochen bleiben wird. Der Winter wird sich irgendwann zurückziehen, doch auch etwas mitnehmen und zurückbehalten, das mir sehr lieb und wichtig geworden ist und woran zu denken es mir auch ein Stück weit erleichtert, durch die kalten Tage zu laufen - das mir hilft, das Grau des Winters einfach zu ignorieren. Es wird verschwunden sein, bis die Tage wieder länger werden und laue Nachmittage oder Abende nach gemeinsamen Entdeckungen rufen.

Hier und jetzt aber knistert das überfrorene, dünn mit Schnee bedeckte Laub unter meinen Schritten, der schmale Weg führt direkt am Seeufer entlang. Die Wasserfläche ist in leichter Bewegung, den Wind spüre ich kaum, er frischt dann und wann etwas auf. Eis treibt nicht auf der gekräuselten Oberfläche. Aber an den Halmen des ufernahen Bewuchses haften noch Reste der letzten Nächte, die deutlich frostiger über dem Land lagen.

Etwas weiter vom Ufer entfernt, auf einem der breiteren Forstwege treffe ich später dann doch auf andere Freunde der freien Natur. Eine Wandergruppe, die offenbar ihren ersten Ausflug im neuen Jahr gebührend feiert, feuert mich aus glühweinseeligen Kehlen lauthals an und bildet ein Spalier, als ich die Gruppe passiere. Eine so freundliche La-Ola-Welle habe ich hier nicht erwartet und ich bedanke mich winkend.

Kurz darauf laufe ich innerlich lächelnd weiter auf meinem Weg, einsam wie bisher. Schöne Begegnung - kurz und unerwartet, aber wie ein mahnender Zeigefinger darauf, dass es Einsamkeit in einer offenen Welt eben nicht gibt. Gerne lasse ich mich auch immer wieder überraschen.


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